His Glanzzeit Bild 08Vom Haltepunkt Sarau zum Bahnhof Pogeez

Erstellt am Donnerstag, 11. August 2011
Geschrieben von Melchior Leiß

Wer heutzutage mit dem Regionalexpress Lübeck - Lüneburg auf der KBS 145 unterwegs ist, wird schon sehr viel Aufmerksamkeit benötigen, um bei 120 km/h in einem Einschnitt beim Streckenkilometer 12,6 links oben Gebäude zu erkennen. Ganz zu schweigen von der verschwundenen Anrufschranke, die 100 m weiter von einer Betonbrücke ersetzt wurde.

Im Normalfall wird auch der Eisenbahnfreund eher die Durchfahrt am ehemaligen Bahnhof Pogeez realisieren. Bis 2008 kreuzten hier ja auch noch die Regionalzüge. Wenig bekannt ist jedoch die Tatsache, dass dieser Bahnhof bis zu seiner Stilllegung als Personenzughalt vor gut zwei Jahrzehnten kaum drei Jahrzehnte an dieser Stelle bestanden hat!

Fahrplan 1919Der Haltepunkt Sarau gehörte historisch gesehen zusammen mit Blankensee, Ratzeburg, Mölln und Roseburg bereits seit der Eröffnung der LBE-Stammstrecke Lübeck - Büchen zu den ursprünglichen Haltestellen für den Personenverkehr.

Als die Stammbahn Ende der 40-er Jahre des vorvorigen Jahrhunderts geplant wurde, war von vornherein klar, dass sie der möglichst schnellen Anbindung der Hansestadt Lübeck an die Hansestadt Hamburg dienen sollte - als Kompromiss, um dem Veto des dänischen Staates zu entgehen durchs Lauenburgische mit Anschluß an die Berlin-Hamburger Bahn in Büchen trassiert.

Die Anbindung und verkehrstechnische Erschließung lauenburgscher Städte und Gemeinden hatte keinerlei Priorität. Lediglich Mölln hatte mehr oder minder das Glück, 

                                        Ausschnitt aus dem LBE-Buchfahrplan von 1919

einen relativ stadtnahen Bahnhof zu bekommen; ähnliches Glück hatte die Gemeinde Roseburg. Im übrigen war das damals bei Fernbahnen nicht ungewöhnlich - Städte und Gemeinden waren froh, wenn sie überhaupt in  1- 4 km Distanz vom Ort über Personenhalte oder sogar Güterabfertigungen an die große weite Welt angeschlossen waren. Dies galt sogar für die ehrwürdige Domstadt Ratzeburg!

Pogeez Karte 850

Zudem sollte man nicht die komplizierten politischen Verhältnisse zwischen den Hansestädten, Dänemark und dem deutschen Bund in der damaligen Zeit vegessen - die örtlichen lauenburgischen Stände hatten damals offenbar nicht viel zu vermelden!

Während Blankensee und Roseburg sich im Laufe der Zeit zu Bahnhöfen mit Güterabfertigung mauserten, blieb Sarau ein Haltepunkt für in Summe - wenn man die Einwohnerschaft von Groß und Klein Sarau, Pogeez und Holstendorf zusammenzählt - lediglich rund 500 Seelen.

Dabei war der Haltepunkt Sarau durchaus relativ komfortabel ausgestattet. Außer dem Wartehäuschen gab es im gleichen Gebäude einen Fahrkartenschalter; das Wohnhaus des Bahnwärters liegt unmittelbar nördlich davon. Beide Gebäude waren jedoch aufgrund der Lage des Haltepunktes in einem engen Einschnitt rund
10 m oberhalb des Bahnsteigniveaus errichtet worden. Die Fahrgäste mussten also bei Ankunft des Zuges eine geschwungene Treppe zum Bahnsteig hinuntereilen - bei schlechtem Wetter und im Winter sicher kein Spaßvergnügen!

Sarau2 425 
 Sarau1 425

Bild oben: Ein Ehepaar mit Hund auf einem Randweg zwischen dem Grundstück des Bahnwärters und dem Abhang des Einschnittes; links unten im Bild der vergleichsweise schmale Bahnsteig.

Bild unten: Die beiden Gebäude oberhalb des Einschnittes.
[Fotos: Fam. Rapp, Holstendorf].

Die vorhergehenden Fotos stammen nach Aussage der Familie Rapp aus den 30-er Jahren; dies gilt auch für das folgende Foto links, das einen Baurotte zeigt, die die Gleise an einem Brückenbauwerk erneuert. Die charakteristische Landschaftsformation (Übergang zwischen Einschnitt und Damm) - sowie die Aussage der Familie Rapp, dass dies "in ihrer Feldmark" stattfand -  läßt nur den Schluss übrig, dass es sich um die Bachüberbrückung bei Streckenkilometer 13,2
handelt ; genau hier wurde später (s.u.) die nördliche Einfahrtsweiche nach Pogeez gelegt! [Foto: Fam. Rapp, Holstendorf]

Sarau3 425   Sarau Matthias Buchholz 425

Während in der 30-er Jahren der Bahnsteig offensichtlich noch ohne Kante versehen war, wurde dies offenbar nach dem Krieg nachgeholt, wie das rechte Foto oben mit der schemenhaft einfahrenden BR 78 zeigt. [Foto: Matthias Eichholz] 

Sarau Oschwald 425  Haus 425 


Das linke Foto von Andreas Oschwald zeigt den Zustand an der Stelle des ehemaligen Haltepunktes Sarau im Jahre 1987, gesehen aus Richtung Lübeck, d.h. vorne der Streckenkilometer 12,4 und hinten erst der Vorsignalwiederholer für die Einfahrt nach Pogeez und der Schaltkasten der Anrufschranke.

Rechts auf dem Bild des Autors die Situation heute - aufgenommen von der neuen Brücke des Holstendorfer Weges über die Gleise (Der 648-er scheint in Sarau im Sinne eines Dejavus zu halten, aber das täuscht!). Gut zu sehen sind rechts oben das ehemalige Wartehäuschen und hinter den Büschen das Wohnhaus des Bahnwärters. Ebenso läßt sich der Verlauf des Niederganges zum Bahnsteig erahnen. Der Vorsignalwiederholer ist verschwunden,  2008 durch ein Ks-Signal an selbiger Stelle ersetzt.

sarau fahrplan 1957 250Der Haltepunkt Sarau bestand bis zum Fahrplanwechsel 1958. Was war der Grund pogeetz fahrplan 1961 250für sein Verschwinden? Durch die Teilung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg hatten sich die Verkehrsströme in der Bundesrepublik von West-Ost (ebenso in der DDR, aber das ist nicht unser Thema!) nach Nord-Süd um 90 Grad gedreht. Ein besonderer Engpass war die damals zunächst nur zweigleisige - später viergleisige - Elbquerung bei Hamburg. In den fünfziger Jahren wurde deshalb der bis dato eher schwach belegten LBE-Stammbahn Lübeck-Büchen-Lüneburg zusätzlicher Verkehr aufgebürdet, wie die Fahrpläne aus jener Zeit belegen - wobei der Güterverkehr noch garnicht berücksichtigt ist.

Auschnitte aus den Fahrplänen 1957 und 1961

Denn hinzu kommt, dass Mitte der 50-er Jahre die Planungen für dei Vogelfluglinie begannen; ein dramatischer Anstieg des Güterzug-Aufkommens wurde - wie sich später erwies, mit Recht - erwartet. Die Stammbahn, wie auch die südliche Verlängerung an die Hannöversche Strecke ist bekanntlich eingleisig. Ausweichgleise gab es zu LBE-Zeiten in Blankensee, Ratzeburg und Mölln. Eine optimale Durchlässigkeit der Strecke war durch die relativ langen Abschnitte Blankensee - Ratzeburg (12,2 km) und Mölln - Büchen (8,3 km) behindert.

Deshalb wurde beschlossen, beide Abschnitte mit weiteren Ausweichmöglichkeiten auszustatten, nämlich in Pogeez in Höhe der damaligen "Block-Bude 10", sowie in Güster, was dann 1958 realisiert wurde.

Ausschnitt aus dem Datensatz TK25 mit freundlicher Genhmigung des Landesamtes für Vermessung und Geo- Information Schleswig-Holstein

Beide wurden übrigens  damals mit Lichtsignalen (linkes Foto) und hochmodernen Spurplan-Stellwerken Bauart Siemens DrS2 (Foto rechts) ausgestattet.

Pogeez Signale  pogeetz Stellwerk 425


[Diese und alle folgenden Fotos stammen vom Autor].

Gleichzeitig fiel die Entscheidung, den Haltepunkt Sarau zu schließen, und im Betriebsbahnhof Pogeez eine Ersatzhaltestelle zu schaffen. Aber auch diese existierte dann nur noch rund 20 Jahre.

Die Fotos unten zeigen die Situation im Jahre 2007; damals kreuzten die Regionalexpress-Züge Lübeck - Lüneburg und vice versa noch in Pogeez, bevor dann mit dem Fahrplanwechsel 2008 die Kreuzung nach Ratzeburg verlegt wurde.

 Pogeez Bild 425 Pogeez Begegnung 425