Baurat Paul Mauck zum Gedenken
- Erstellt am Montag, 31. Mai 2010
- Geschrieben von Jörg Windberg
Erstellt, Montag, 31. Mai 2010
Geschrieben von Jörg Windberg
Paul Mauck wurde am 23. September 1900 in Lübeck geboren. Seine Schulzeit verbrachte er in Lübeck, wo er auch 1918 das Abitur am Johanneum bestand.
Nach seinem Ingenieurstudium, zunächst in Hannover und anschließend an der allen Eisenbahnfreunden bekannten Technischen Hochschule in Karlsruhe erhielt er dort 1923, nach nur 8 Semestern Studium sein Diplom und damit die Ernennung zum Diplom- Ingenieur.
Sein zweites Staatsexamen legte er 1926 ab und wurde anschließend zum Regierungsbaumeister ernannt.
Nachdem er zunächst 1927 in den Dienst der Reichsbahn eingetreten war, wurde er bis 1928 technischer Abteilungsleiter beim RAW Rostock und Vertreter des Werkdirektors.
Doch schon im Laufe des Jahres 1928 wechselte er zu einer der größten, damals noch verbliebenen „Staatsbahn im Privatbahngewand“ über, zur Lübeck-Büchener Eisenbahn LBE, die fortan für die nächsten zehn Jahre sein Arbeitgeber werden sollte.
Als Leiter des AW Lübeck der LBE knüpfte er die Kontakte und sammelte die Erfahrungen im Werkstätten- und Unterhaltungs-Bereich, die ihn mit seinem rastlosen Erfindergeist zu einem der kreativsten Köpfe des deutschen Eisenbahnwesens werden ließen.
Paul Mauck und Georg Heise (von links) vor der im Bau befindlichen LBE 3 auf dem Henschel-Werkshof (1937)
War er schon beim Bau des LBE-Dampftriebwagens in gutem Einvernehmen mit den Konstrukteuren der großen deutschen Lok- und Waggonfabriken gewesen, so intensivierte die auf sein Bestreben hin angestoßene Entwicklung eines leichten, stromlinienverkleideten Dampfzuges diese Allianz noch besonders. Zu nennen sind hier insbesondere Richard Roosen, der Entwickler der Dampfmotor- und der Kondensationstechnik, der später beim Bau der LBE 77 1001, der 19 1001 sowie der südafrikanischen und deutschen Kondenslokomotiven von sich reden machte und Georg Heise von Henschel.
Heise, Schöpfer der gelungenen preußischen S 10.1, war gerade mit der Entwicklung der BR 61 beschäftigt, als an ihn der Wunsch der LBE herangetragen wurde. Er zögerte nicht lange und entwickelte kurzerhand in enger Zusammenarbeit mit Paul Mauck, sozusagen als „kleine BR 61“ die bekannten LBE Mickymäuse 1-3 (spätere BR 60). Die LBE 3 (60 003), die gegenüber Nr. 1-2 etwas verstärkt war, war sogar Georg Heises letzte Arbeit für Henschel, bevor er in den verdienten Ruhestand ging.
Der Grundentwurf für die dazugehörigen Doppelstockwagen entstand im Wesentlichen unter der Leitung von Paul Mauck in der Lübecker Hauptwerkstatt der LBE, in der zunächst ein 1:1- Holzmodell eines Wagenkastens gebaut wurde. Die Formgebung lehnte sich an die ein Jahr vorher auf den Pariser Vorortstrecken in Betrieb genommenen Doppelstockwagen der ETAT an. Für die Bauausführung konnten die Linke- Hofmann Werke in Breslau und die WUMAG in Görlitz gewonnen werden
Die Geschichte der Lok und der Waggons, die im Unterschied zu den vierachsigen französischen Wagen erstmals, vor allem aus Platz- und Gewichtseinsparungsgründen, als sechsachsige Zwillingswagen mit Endführerständen ausgeführt waren, ist an anderer Stelle mehrfach thematisiert. In persönlicher Hinsicht waren sie für „Baurat“ –diese Berufsbezeichnung trug er mittlerweile- Paul Mauck ein einzigartiges Ruhmesblatt, das sich weltweit herumsprach und ihn zu einem anerkannten
Ratgeber (und auch, wie es heißt, zu einem charmanten Gesellschafter!) werden ließ.
Sprachen manche despektierlich von ihm als „Erfinder von Klapparatismen“, so erkannte die Fachwelt doch bald neidlos (oder neidvoll?) an, dass ihm mit den „Doppeldeckzügen“, die „In einer Stunde vom Häusermeer an die See“ eilen konnten, ein einzigartiger Wurf gelungen war, brauchten die Loks aufgrund ihrer Fernsteuerung von den in den Wagen befindlichen Führerständen aus an den Streckenendpunkten doch nicht mehr umgesetzt werden. Die Idee des Wendezugbetriebes hatte ihre Betriebstauglichkeit bewiesen und ist bis heute aus dem Betriebsalltag bei der Bahn nicht mehr wegzudenken.
Alles in allem war die LBE unter der technischen Leitung von Baurat Mauck Ende 1937 eine Art „Gesamtkunstwerk“ geworden: Technisch hoch innovativ, in modernem „Bauhaus“-Design, das in Zusammenarbeit mit bekannten Gestaltern wie dem berühmten Graphiker Alfred Mahlau oder der von den Deutschen Werkstätten in Dresden Hellerau geholten Innenarchitektin Liesel Bertsch entwickelt worden war. Noch dazu war das ganze Unternehmen professionell beworben und vermarktet und hatte mit seinen Entwicklungen, die von Paul Mauck in vielen in- und ausländischen Fachpublikationen zeitnah vorgestellt wurden, einen weltweiten Bekanntheitsgrad erreicht.
Übergabe eines der ersten Doppelstockwagen an die LBE bei der WUMAG in Görlitz, der von der in Kassel kurz vorher fertiggestellten Stromlinienlok „persönlich“ abgeholt und anschließend nach Lübeck gebracht wird. Rechts neben Baurat Mauck (Mitte) steht Liesel Bertsch, die Farb- und Innengestalterin der Wagen.
Doch auch diesen kreativen Techniker holten die bitteren politischen Realitäten jener Jahre ein: Zum 1. Januar 1938 wurde die LBE verstaatlicht, nicht ganz überraschend, nachdem der Stadtstaat Lübeck bereits 1936 seine Selbstständigkeit verloren hatte.
Letzter Appell der Belegschaft im Dezember 1937 in den Werkshallen des AW an der Kronsforder Allee
Paul Mauck ließ sich jedoch nicht verstaatlichen, sondern nutzte seine guten Kontakte, insbesondere auch zu Henschel- Firmenchef Oskar Henschel und trat am selben Tag als Prokurist und Abteilungsleiter in die Dienste von Henschel&Sohn in Kassel.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde er zunächst Vorstandsmitglied der zum Henschel- Konzern gehörenden Wiener Lokomotivfabrik WLF in Wien-Floridsdorf, wo er unter anderem die Entwicklung der bekannten „Floridsdorfer Kastentender“ für die BR 52 förderte.
Von 1943 bis zum Kriegsende 1945 war er Vorsitzer der Geschäftsführung der gleichfalls zu Henschel gehörenden Raxwerke in Wiener Neustadt, in denen, z.T. von Zwangsarbeitern, deren Schicksalen er sich, nach Aussagen seiner Frau, im Rahmen seiner Möglichkeiten „als Christenmensch mit großer Anteilnahme und Fürsorge“ widmete, neben Rüstungsgütern ebenfalls Lokomotivtender in großer Zahl produziert wurden.
Über die frühe Nachkriegszeit lässt sich sein Lebenlauf ebenfalls nur lapidar mit „Sonderaufgaben bei Firma Henschel & Sohn in Kassel“ aus.
Es scheint ihm dort, inmitten der Trümmerwüste am Holländischen Platz wohl nicht mehr gefallen zu haben, denn 1946 zieht es ihn zurück in seine Lübecker Heimat und er eröffnet auf der Lübecker Teerhofinsel als alleiniger Inhaber und Geschäftsführer die „Maschinenfabrik auf der Teerhofinsel“.
Bekannt ist, dass seine Firma in erster Linie Instandsetzungen gebrauchter Lokomotiven der Staats- und Privatbahnen durchführte, aber auch Umspurungen sowie Bau und Reparaturen einfacher Waggons gehörten zum Repertoire der Fabrik. Besonders schmerzlich müssen die Verschrottungsaktionen, u.a. der ehemaligen Lübeck-Büchener S 10 gewesen sein, die ebenfalls bei ihm durchgeführt wurden.
Doch die Geschäfte liefen nicht gut in diesen wilden Jahren. Bis 1953 hielt er sich noch durch eigene Entwicklungen landwirtschaftlicher Geräte, z.B. Saatgut-Streuwagen über Wasser, dann kam das „Aus“.
Sein Ruhm aus LBE-Zeiten hatte jedoch die Jahre überdauert und die junge westdeutsche Bahnindustrie brauchte wieder fähige Köpfe.
In seiner Korrespondenz finden sich Briefwechsel mit Paul Mielich, der zu jener Zeit die erste Generation der DB-Doppelstockwagen entwarf, deren Konzept Paul Mauck aber skeptisch gegenüber stand, da er das Doppelstockprinzip bei dem gegebenen schmalen kontinentaleuropäischen Lichtraumprofil für Langstreckenfahrzeuge nicht für geeignet hielt.
So dauerte es –nach einem kurzen Intermezzo bei der Hamburger „Cobolt-Fahrzeugbau“- nicht lange, bis ein alter Stammlieferant der LBE, die inzwischen aufgrund der Kriegsereignisse aus Schlesien nach Salzgitter-Watenstedt umgesiedelten Linke-Hofmann Werke (jetzt als "Linke-Hofmann-Busch GmbH“ firmierend) auf Paul Mauck aufmerksam wurden und ihn noch 1953 nach Salzgitter holten.
Eine Hälfte des LBE Doppelstockwagens Nr. 5 im Werksmuseum der Alstom LHB in Salzgitter
Fortan war die Münzstraße in der Braunschweiger Innenstadt sein Wohnsitz, wo seine Frau Marianne eine zahnärztliche Praxis führte.
Bei LHB blieb er bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1965 „Mitarbeiter für Sonderaufgaben“, zu denen u.a. der Aufbau des bekannten Werksmuseums gehörte, das noch heute existiert und neben einer Lok der BR 38, einer (nach Gerüchten infolge einer erst kurz vor ihrer Außerdienststellung erfolgten Hauptuntersuchung fast betriebsfähigen) BR 39 und einem SVT 06, Bauart „Köln“ u.a. auch eine Hälfte eines „seiner“ LBE-Doppelstockwagen beherbergt.
Seinen Ruhestand genoss Paul Mauck noch ein knappes Jahrzehnt und bemerkte zu der erstarkenden Eisenbahnfreunde-Szene immer ein wenig verwundert, dass man sich für seine alten Sachen noch so sehr interessierte.
Am Pfingstsonntag, den 18.5.1975 ist er in der Universitätsklinik Göttingen einem Krebsleiden erlegen.
Die aktuelle Blütezeit seines Nahverkehrs-Doppelstockwagen-Konzepts, das über die frühen DR-Doppelstockwagen des WUMAG- Nachfolgers „VEB Görlitzer Waggonfabrik“ der 50er Jahre und die bis zur Wiedervereinigung erfolgte Weiterentwicklung in der DDR geradlinig bis zu den heutigen, in ganz Deutschland eingesetzten modernen Fahrzeugen führt, hat er leider nicht mehr miterleben können.
Weitere Fotos mit Impressionen aus seinem Leben nachfolgend.
Viele Dienstbesprechungen musste Paul Mauck während der Bauzeit der Doppelstockwagen bei LHW in Breslau und bei der WUMAG in Görlitz führen (Aufnahme Anfang 1936)
Geheim gehaltene Probefahrten Ende März 1936 mit dem ersten fertiggestellten Doppelstockwagen im Lübecker Raum. Baurat Mauck steht in der geöffneten Wagentür.
Paul Mauck (2. von rechts) und der „Vater“ der BR 17.10, der BR 61 und der BR 60, Georg Heise (ganz rechts) vor der im Bau befindlichen LBE 3 auf dem Henschel-Werkshof in Kassel bei Aufnahmen für die Wochenschau (1937)
Baurat Maucks persönliches Erinnerungsfoto an die LBE entstand an einem trüben Novemberabend 1937, als sein Abschied von Lübeck bereits feststand. Nach Dienstschluss ging er von der LBE- Hauptverwaltung hinüber zum Lübecker Hbf und fotografierte dort den mit der neuen LBE 3 auf Gleis 9 abfahrbereit stehenden HL- Schnellverkehrszug nach Hamburg.