Hein Hollenbek - geliebte Nebenbahn
Erstellt am Freitag, 23. April 2010
Geschrieben von Birger Kaiser
Nach dem Ende des deutsch-dänischen Krieges 1864 erwarb Preußen die Provinzen Schleswig und Holstein. Preußen bemühte sich ab 1879 um eine eigene, unabhängige Eisenbahnstrecke von Berlin nach Kiel. Es gab mehrere Strecken, über die man Kiel erreichen konnte, allerdings benutzte man dazu entweder eine Privatbahn (z.B. die Berlin-Hamburger-Eisenbahn [BHE] oder die Lübeck-Büchener-Eisenbahn [LBE]) oder man berührte Gebiete der freien Reichsstädte Hamburg oder Lübeck.
In Mölln bildete sich ein Komitee zur Föderung des Baues einer Eisenbahn von Hagenow über Mölln nach Oldesloe. Die Strecke sollte als Sekundärbahn ausgeführt werden und das westliche Mecklenburg an den neuen Möllner Hafen anbinden. Man hoffte auf finanzielle Unterstützung durch die Stadt Lübeck, sollte doch die lübsche Enklave Nusse-Ritzerau eine Station erhalten. Doch der Lübecker Senat lehnte eine Beteiligung an diesem Projekt ab. Lübeck besaß an der LBE einen erheblichen Aktienanteil und sah in dieser Sekundärbahn eine Konkurrenz zur eigenen Strecke von Lübeck nach Büchen. Man wünschte sich in Lübeck eine Streckenführung von Schwerin über Lübeck nach Segeberg, um eigene Interessen zu wahren und keine Konkurrenz zuzulassen. Preußen stellte 1880 das gesamte Projekt zurück.
1883 trat der Lauenburgische Kreistag an die preußische Regierung heran, mit der Bitte, eine Eisenbahn von Hagenow über Mölln nach Oldesloe finanziell zu unterstützen. Auch Lübeck stand jetzt dem Projekt wohlwollend gegenüber. Die Stadt hatte Ihre Aktienanteile an der LBE an ein Bankkonsortium verkauft. Lübeck wies seine Enklaven an, Land für den Bahnbau kostelos oder zumindest Kostengünstig zur Verfügung zu stellen.
Doch erst 1886 wurde das Projekt auf preußischer Seite erneut in Angriff genommen. Diesmal wurde eine Linbienführung von Hagenow über Zarrentin und Ratzeburg nach Oldesloe abgeregt. Preußen ersuchte Lübeck um eine Genehmigung zur Planung dieser Strecke durch die lübschen Enklaven Sierksrade und Düchelsdorf.
Lübeck war dieser Variante gegenüber nicht abgeneigt, ließ aber alle bekannte Varianten durchrechnen. Drei Varianten kristallisierten sich heraus:
1. Hagenow-Mölln-Oldesloe 90km |
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2. Hagenow-Ratzeburg-Oldesloe 92km |
3. Hagenow-Ratzeburg-Lübeck-Segeberg |
Schließlich wurde 1887 nur noch über die Varianten 1 & 2 debattiert. In Lübeck sah man erhebliche Vorteile in der Linienführung über Ratzeburg, denn vielleicht ließ sich der Verkehr irgendwann über Lübeck leiten. Somit erteilte man Preußen die Genehmigung für die Vorarbeiten in den lübschen Enklaven Sierksrade und Düchelsdorf.
Mölln war diese Entwicklung natürlich nicht recht und man legte in Berlin eine Petition vor. Dadurch erreichte Mölln, dass eine Nebenbahn von Hollenbek nach Mölln projektiert wurde. Die Königlich Preußische Eisenbahn Verwaltung (KPEV) begann 1888 mit den allgemeinen Arbeiten.
Die "Kaiserbahn" Hagenow-Ratzeburg-Oldesloe wurde in Etappen von 1894 bis 1897 eröffnet. Die Nebenbahn von Hollenbek nach Mölln folgte am 01.April 1899.
Die Strecke begann im Bahnhof Hollenbek (km 0,0) und führte über Kehrsen (km 3,3), Lehmrade (km 4,7), Drüsensee (km 7,6), Schneiderschere (km 8,95) nach Mölln (km 11,74). Hollenbek, Lehmrade und Mölln waren Bahnhöfe mit Empfangsgebäude und Güterboden. Kehrsen besaß ein Anschlussgleis für das dortige Gut und später auch für die Kiesverladung aus den Segrahner Kieswerken. Lehmrade besaß ein Kreuzungsgleis und ein Gütergleis. Die Haltepunkte Drüsensee und Schneiderschere dienten überwiegend dem Ausflugsverkehr. In Mölln baute die KPEV zudem einen zweiständigen Lokschuppen mit Drehscheibe.
Schneiderschere 1929 [Stadtbildstelle Mölln]
Die Nebenbahn bekam, wohl wegen Ihres ländlichen Charakters, sehr bald den Namen "Hein Hollenbek". Der Betrieb auf dem "Hein Hollenbek" war am Anfang bescheiden. Nur in der Sommerzeit und zur Ernte wurden die kleinen Züge rege genutzt. Zum Möllner Herbstmarkt reisten viele Leute aus der Zarrentiner und Hagenower Gegend mit dem "Hein Hollenbek" an. Oftmals, so wird berichtet, reichte die Kraft der kleinen Lok fast nicht aus um die Steigungen zu bewältigen und man wiltzelte: "Helpt mit schuben!". Die Strecke war nämlich sehr steigungsreich angelegt worden.
Hp Drüsensee [Foto: G. Stoltze]
Bahnhof Lehmrade heute [Foto: M. Leiß]
Höhenprofil [B. Kaiser]
Gleisreste Breslauer Straße [Foto: B. Kaiser]
Mit der Eröffnung der Heeresmunitionsanstalt (Muna) 1935 änderte sich das Bild auf dem "Hein Hollenbek". An der Schneiderschere wurde ein Anschlussgleis in die Muna gebaut. In der Muna selbst wurden acht Kilometer Gleise verlegt. Die Arbeiter der Muna, zeitweise bis zu 2000 Personen, wurden mit Sonderzügen zur Schneiderschere gebracht.
Auf dem gesamten Gelände konnte bis zu 7200t Pulver / Munition gelagert werden. Was da bei einem Luftangriff hätte passieren können, kann man sich gar nicht vorstellen.
Eine Besonderheit besaß dieses Anschlussgleis. Übergabefahrten konnten sich im Anschlussgleis einschließen und die Strecke wieder freiblocken, so dass der Möllner Fahrdienstleiter den nächsten Zug abfahren konnte.
Der Personenverkehr wies vor dem 2. Weltkrieg fünf Zugpaare aus, die ab 1939 kriegsbedingt auf drei Zugpaare reduziert wurden.
Endpunkt in Klein Zecher [Foto: M. Flint]
Nach dem Krieg erlebte der "Hein Hollenbek" eine kleine Renaissence. Die Briten lagerten die erbeutete Munition auf dem Gelände der Muna, um sie später zu verklappen oder vor Ort zu sprengen. Der Transport der Munition erfolgte natürlich über den "Hein Hollenbek".
Ab 1952 veränderten sich die Endpunkte der Strecke. Die Züge begannen teilweise schon in Oldesloe und wurden über Ratzeburg, Mölln, Hollenbek bis zur neuen Haltestelle Klein Zecher gefahren. Klein Zecher lag direkt an der innerdeutschen Grenze und als die Grenzorgane der DDR die Gleise zwischen Zarrentin und der Grenz abgebaut hatten (1952), richtete man in Klein Zecher einen Haltepunkt mit Anschlussgleis ein.
Abschiedsfahrt am 3. Oktober 1959 in Mölln [Foto: J. Graf]
Ab 1953 setzte die noch junge Deutsche Bundesbahn die neuen Schienenbusse der Baureihe VT 95 auf dem "Hein Hollenbek" ein. Leider ging das Reisendenaufkommen in dieser strukturschwachen Region soweit zurück, dass zum 03.Oktober 1959 die Stilllegung verfügt wurde. Wer heute eine Wanderung auf der alten Trasse macht, kann noch viel vom Charme dieser Nebenbahn entdecken und wird verstehen, warum diese Nebenbahn so liebevoll "Hein Hollenbek" genannt wurde!
Im November 2010 ist in den Lauenburgischen Heimatblättern ein ausführlicher Artikel über den "Hein Hollenbek" erschienen. Bezug über den Buchhadel.
Ausschnitt aus den Preußischen Meßtischblättern 1:25000 Mölln und Gudow