Die Neuorientierung der LBE
Die Folgen des 1. Weltkrieges und auch die drängenden Probleme, die aus der Weltwirtschaftskriese Angang der 1920-Jahre entstanden waren, trafen die LBE tief. Investitionen waren ausgeblieben, dringde Erneuerungen wurden nicht realisiert und auch das Fahrgast- und Frachtaufkommen war gesunken. Es gab, wie wir es heute bezeichnen, einen großen Investitionsstau.
Der Hintergrund für diesen Stau waren mannigfaltig. Die Eröffnung des "Elbe-Lübeck Kanals" hatte das Frachtaufkommen deutlich zurückgehen lassen. Die Ausweitung des Vorortsverkehr in Hamburg und damit die Verlagung auf andere Verkehrsträger (Wälderbahn) hatten zum Rückgang von Einnahmen geführt. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage des Unternehmens wurde ein Modernisierungsplan aufgestellt, der einen Zeitablauf von 7 Jahren vorsah.
Es sollte erreicht werden,
- die Fahrzeiten der Reisezüge zu verkürzen;
- Verdichten des Reiseplanes und damit der Zugfolge
- Beschaffung geeigneter neuer Wagen und Lokomotiven;
- Ausbau der Strecke Hamburg-Lübeck für eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h;
- Ausbau der Strecke Lübeck-Travemünde für eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h;
- Entwurf und Bau von doppelstöckigen Wagen mit stromlinienförmigen Lokomotiven;
- Beschaffung von leichten Triebwagen für den Nahverkehr in verkehrsschwache Zeiten;
- Beschaffung von Kleinlokomotiven für den Rangierverkehr;
- Erzielen einer echten Rendite.
Zahlreiche zusätzliche Maßnahmen begleiteten diese Planungen, so sollte auch die Stammstrecke nach Büchen ausgebaut werden und Überholstellen geschaffen werden. Auch der Aus- und Umbau der Unterwegsbahnhöfe Ratzeburg und Mölln war beabsichtigt. Im Rahmen von Untersuchungen war man zu dem Entschluss gekommen, zwischen Hamburg und Lübeck mit doppelstöckigen Zügen, die ein Mindestfahrgastaufkommen von 300 Personen hatten, zu bewältigen. Gleichzeitig, und das war das revolutionierende, sollte ein sogenannter Wendezugbetrieb aufgenommen werden, den es zu dieser Zeit in Deutschland noch nicht gab.
Als die LBE ihren Siebenjahresplan 1934 verabschiedete, gingen unverzüglich entsprechende Entwicklungsaufträge an die Waggonfabriken Linke-Hoffmann in Breslau, WUMAG in Görlitz und an die Lokomotivfabrik Henschel in Kassel. In erstaunlich kurzer Zeit wurde sowohl der Doppeldeckwagen, als auch die dazu gehörenden Lokomotiven entwickelt und gebaut.
Ende 1935 lieferten die beiden Waggonfabriken je einen Doppelstockwagen. Im Winter 1935/36 fanden dann auch die ersten Versuchsfahrten mit der künftigen LBE-Lokomotive 1 im Raum Kassel statt.
Die Aus- und Umbauten der Strecken und der Umbau des Ratzeburger Bahnhofes waren inzwischen ebenfalls weit gediehen, das Überholgleis zwischen Blankensee und Ratzeburg fehlte jedoch noch, wie auch die elektrische Blocksicherung zwischen beiden Bahnhöfen.
“Tatsächlich ging man aber, unterstützt von den Lieferwerken und Baufirmen, mit wahrhaftigem Feuereifer und seltenem Pioniergeist daran, die eigene Bahn umzugestalten.” Quelle: 1,S. 21.
Unter großer Beachtung der in- und ausländischen Presse fand dann am 07. April 1936 die erste öffentliche Vorstellung des neuen Doppelstockwagens mit der Stromlinienlokomotive im Rahmen einer Sonderfahrt statt. Schnell erhielten die kleinen 1B1 Lokomotiven den liebevollen Beinamen “Micky Mäuse”.
Die Fahrzeit im Schnellverkehr (ohne Unterwegshalt) von Hamburg nach Lübeck dauerte nunmehr nur noch 40 Minuten und 20 Minuten später war Travemünde erreicht.
Die schnelle Verbindung von Hamburg nach Lübeck und weiter nach Travemünde wurde so lebhaft angenommen, dass man sich bald entschloss, weitere Wagen in Auftrag zu geben, so bestellt man bereits im Spätsommer 1936 weitere 6 Doppeldeckwagen und eine Lokomotive. Während die Wagen der ersten Lieferung an den Führerständen große gebogene Scheiben besaßen, wurde die zweite Lieferung mit kleineren Führerstandfenstern ausgestattet.
Die Bemühungen um das Reisepublikum blieben nicht aus. Gerade der für die Werbung und Pressearbeit zuständige Dr. Düesberg war unermüdlich tätig und auch Dank seiner Tätigkeit konnte Zuwächse erreicht werden. So stieg z.B. die Zahl der beförderten Personen von 1933 bis 1937 um 48%, die Zugkilometer der Reisezüge wuchs um 45% und die Gesamteinnahmen stiegen um 54%..1932 plante man einen weiteren Rationalisierungsschritt. Die LBE entschloss sich, um die Kosten von dampfgeführten Zügen in verkehrsschwachen Zeiten weiter zu senken, Triebwagen einzusetzen.
Die Firma Henschel wurde beauftrag einen Triebwagen mit Dampfantrieb zu entwickeln. Ab 15.Mai 1934 wurde die neue Einheit zu drei täglichen Touren im Rahmen des H-L-Schnellverkehrs eingesetzt. Aufgrund seiner Beliebtheit reichte in den Hauptzeiten und am Sonntag meist der Platz nicht aus, so dass wieder lokbespannte Züge eingesetzt werden mussten.
Als 1936 die neuen Doppelstockzüge zwischen Lübeck Hamburg eingesetzt wurde übernahm der als DT 2000 bezeichnete Triebwagenzug Eilzugleistung zwischen, zwischen Lübeck und Lüneburg.
Hierfür wurde hinter dem Maschinenraum ein Gepäckabteil geschaffen. Es entfielen dabei 16 Sitzplätze. Quellen: 1; S. 66 ff
Aber nicht nur der Personenverkehr stand in den Bemühungen um Verbesserungen, entsprechend den Planungen, sollte auch der Güterverkehr beschleunigt werden. Um den Rangierdienst auf den Unterwegsbahnhöfen zu beschleunigen, entschloss man sich, aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Dampftriebwagen, dampfgetriebene Kleinlokomotiven anzuschaffen. Ein entsprechender Auftrag ging 1934 an Henschel.
Aufgrund der Aufgeschlossenheit von Mauck gegenüber neuen Entwicklungen bahnten sich völlig neue Entwicklungen an. Baurat Mauck war bei Gesprächen mit Henschel mit den dortigen Planungen eine Dampfmotor getriebene Lokomotive in Berührung gekommen. Es wurde bei der LBE geplant, eine vorhandene G 6 zu einer stromlinienverkleideten Lokomotive mit Einzelachsantrieb umzubauen. Für den Umbau hatte man die Lok 71, die als “Bayern” 1913 geliefert wurde, vorgesehen. Mit den Umbauarbeiten hatte man bereits begonnen.
Als zum 01.01.1938 die private “Lübeck-Büchener Eisenbahn-Gesellschaft” verreichlicht wurde, verfolgte die Reichsbahn dieses Projekt nicht mit dem gleichen Interesse wie die Privatbahn. Im Mai 1945 waren nur noch Reste dieser Lok vorhanden. Aufgrund der Ordnungsliebe der Reichsbahn wurde die Lok als 77 1001 eingereiht. Eine Weiterentwicklung und auch Weiterbau erfolgte nicht mehr, da die Reichsbahn ihrerseits sich bereits mit dem Projekt "Dampfmotorlok" beschäftigte und deshalb keinen weiteren Bedarf sah.
Nicht unerwähnt darf an dieser Stelle bleiben, dass für den nach Travemünde, Ratzeburg oder Mölln eingerichtete Reiseverkehr in der zweiten Hälfte 1936 kleinere Dieseltriebwagen eingesetzt wurden.
Ab Sommer 1936 fuhr der als VT 11 eingeordnete Motorwagen mit Beiwagen, die beide von der WUMAG geliefert wurden auf den vorgenannten Strecken. Der Triebwagen verfügte über insgesamt 61 Sitzplätze, wobei ein Gepäckraum eingerichtet war.
Die Triebwageneinheit bestand aus Motorwagen und Anhänger, der etwas kürzer als der Motorwagen war. Er wies 43 Plätze auf. Er war aber mit einer Toilette versehen. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 85 km/h.
Ende 1936 traf dann auch der bestellte Triebwagen VT 12 in Lübeck ein. Das Uerdinger Modell unterschied sich augenfällig vom WUMAG-Modell. Aber auch wie beim V11 standen 61 Sitzplätze zur Verfügung. Auch hier war der Anhänger kürzer als der Motorwagen
Die Bemühungen des Vorstandes der LBE, der privaten Gesellschaft zu neuer Blüte zu verhelfen hatten Früchte getragen. Die Zukunft schien gesichert. Nicht unerwähnt muss bleiben, dass zum einen sich die Hansestadt Lübeck bereits vor fast 40 Jahren als Gesellschafter verabschiedet hatte und seit der Schaffung der “Deutschen Reichsbahngesellschaft” Eingliederungsabsichten immer wieder laut wurden. Ab Mitte der zwanziger Jahre erwarb die Reichsbahn umfangreiche Aktienpakete der LBE, so dass sie letztendlich mit 86% des Aktienkapitals an der LBE beteiligt war.
Es war deshalb unter den damaligen politischen Zielen relativ einfach, diese private Eisenbahngesellschaft zu verreichlichen und in die "Deutsche Reichsbahn" einzubinden. Die LBE stellte unter Berücksichtigung der Kriegsziele der nationalsozialistischen Machthaber eine Sperre auf dem Transportweg zwischen Nord- und Ossee, zwischen Hamburg und Rostock dar. Dieses ist auch eine der Gründe, warum die "Eutin-Lübecker Eisenbahn" erst später verreichlicht wurde, da sie ja nur eine "Süd- Nordverbindung" war.
Noch heute sind die Spuren der LBE zu finden, sei es die Doppeldeckwagenhälfte bei Bombardier (Linke-Hoffmann) in Salzgitter, das noch vorhanden Verwaltungsgebäude der LBE, die Museumslokomotive 56 3007 und die zahlreichen Spuren in und um Lübeck herum, selbstverständlich müssen auch noch die vielen noch immer noch vorhandenen Bahnhöfe und Haltepunkte genannt werden.
Nicht unerwähnt bleiben soll der Lokschuppen der ehemaligen “Lübeck-Eutiner-Eisenbahn”, der Domizil des Vereins “Historische Eisenbahnfahrzeuge Lübeck e.V.” war, bevor der Verein jetzt in den grossen Rechteckschuppen umzog.