His Glanzzeit Bild 08Anschlussgleise von Waffen- und Rüstungsbetrieben entlang der LBE-Strecken

Erstellt am Samstag, 21. November 2015
Geschrieben von Birger Kaiser

Bei Nachforschungen über Gleisanlagen im unmittelbaren Bereich der Lübeck-Büchener Eisenbahn-Gesellschaft (LBE), stößt man unweigerlich auch in Lübeck-Schlutup, Mölln-Waldstadt und Büchen-Nüssau auf Reste von ausgedehnten Gleisanlagen und Hochbauten. Während die Gleisanlagen und Hochbauten in Lübeck-Schlutup noch gut erhalten sind, finden sich in Mölln und Büchen nur noch Reste davon. Seit meiner Kindheit sind mir die Gelände bekannt, nur fehlten mir weitergehende Informationen. Alle drei Gelände haben zwei Sachen gemeinsam. Zum einen lagen sie in unmittelbarer Nähe zu Strecken der LBE und zum anderen stellt sich die Frage, welche Geschichte verbirgt sich hinter den Geländen? Nach meinen Recherchen bin ich in der Lage, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Die Gleisanlagen in den Schlutuper Tannen

Wer heute in Lübeck von Wesloe nach Schlutup auf der Wesloer Landstraße (B104) unterwegs ist, sieht auf seiner rechten Seite die ehemalige LBE-Strecke von Lübeck nach Schlutup. Kurz bevor die B 104 nach Schönberg rechts abbiegt, überquert ein Anschlussgleis die Straße. Hier beginnt das Industriegebiet "Schlutuper Tannen".

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Die Anschlussweiche zum ehemaligen Gelände der DWM in Lübeck-Schlutup

Die Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik Karlsruhe (DWM) suchte zu Beginn der 1930er Jahre nach einem Gelände, in dem sie neue Produktionsanlagen und eine Schießbahn errichten konnte. Die im Rheintal zur Verfügung stehenden Gelände waren zu klein oder zu dicht an bewohnten Gebieten. Die Stadt Lübeck verkaufte der DWM im Waldgebiet "Lauer Holz" ein großes Gelände, in dem die DWM und deren Tochterunternehmen, die Maschinen für Massenverpackungen (MfM), ab 1935 neue Produktionsanlagen bauten. Die DWM baute südlich und nördlich der LBE-Strecke von Lübeck nach Schlutup und die MfM nördlich des DWM-Geländes bis zur Mecklenburger Landstraße.

Die Produktionsstätten waren stark gebunkert und die Dächer zur Tarnung begrünt. Zur Versorgung der Gebäude wurde in der Palinger Heide ein Heizkraftwerk errichtet und ein Brunnen gebohrt. Die DWM beantragte einen Gleisanschluss an die bestehende LBE-Strecke. Nach einem Schreiben des Reichsbevollmächtigten für Bahnaufsicht an den Reichs- und Preußischen Verkehrsminister in Berlin vom 30. Juli 1937, wollte die DWM zwei Anschlussgleise bauen lassen. Einmal in km 12,259 und in km 12,573 der Strecke Lübeck - Schlutup. Beide Anschlussgleise wurden genehmigt.

Zusätzlich zu den Anschlussgleisen wurde in km 12,4 ein Haltepunkt für die knapp 12700 Arbeiter der Werke errichtet.Es verkehrten ab Lübeck Hauptbahnhof nicht öffentliche Arbeiterzüge bis zu dem Haltepunkt Schlutuper Tannen. So zum Beispiel die Züge 2507 / 2508 ab Lübeck Hbf bis Lübeck Schlutup. Der Zug 2507 verkehrte als Leerzug bis Lübeck Brandenbaum, wo Arbeiter zusteigen konnten. Ab dort hielt er noch am Haltepunkt Schlutuper Tannen und am Endbahnhof Schlutup. Mit diesem Zug wurden die Arbeiter der Nachtschicht nach Schlutup gebracht. Der Zug 2508 brachte die Arbeiter der Spätschicht nach Hause. Dieser hielt in den Haltepunkten Schlutuper Tannen, Brandenbaum, Mönkhof, Geniner Weg und fuhr zum Hauptbahnhof. Wo die Arbeiterzüge nach Schlutup im Lübecker Hauptbahnhof ankamen und abfuhren, ist nicht bekannt. Allerdings steht zu vermuten, dass sie nicht an den Bahnsteigen für den „normalen“ Reisenden begannen oder endeten. Beide Züge verkehrten mit der Baureihe 92.6. Die Höchstgeschwindigkeit der Züge betrug 40 km/h und die maximale Anhängelast 400 t.

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Der ehemalige Haltepunkt „Schlutuper Tannen“. Links das Anschlussgleis in den nördlichen Teil der DWM,
rechts das Anschlussgleis in den südlichen Teil der DWM (GVS)

Im nördlichen Gelände der DWM führte ein halbkreisförmiges Anschlussgleis durch die Anlage, von dem mehrere Stumpfgleise zu den einzelnen Lagergebäuden abgingen. In der Mitte des Geländes durchzog eine Querspange das Gelände. An dieser Querspange lag auch der Lokschuppen. Es ist davon auszugehen, dass die DWM eigene Lokomotiven für den Verschub im Gelände einsetzten. Durch das südliche Gelände führte eine kleine Stichstrecke, von der ebenfalls einzelne Stumpfgleise abgingen. Die Übergabe der Wagen erfolgte auf einem Gleis neben dem Haltepunkt Schlutuper Tannen.

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Die DWM entwickelte und produzierte die komplette Munition bis zu Kaliber 3,7 cm. Die MfM entwickelte und produzierte Hülsen für Mörser und Kanonen von 3,7 cm bis 21 cm.

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Die Anschlussgleise überqueren im nördlichen Bereich des ehemaligen
MfM-Geländes eine Zufahrtsstraße per Brücke. (Kaiser)

Erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs entdeckten die englischen Truppen die Anlagen der DWM und MfM. Auf Anordnung der Besatzer wurden alle Bäume auf und um die Produktionsanlagen entfernt und die kriegswichtigen Anlagen demontiert. Die stark gebunkerten Gebäude, 127 der DWM und 19 der MfM, sollten nach dem Ende der Demontage gesprengt werden, was Lübecker Politiker verhindern konnten.

Im Juni 1950 zog die erste Firma in eines der Gebäude auf dem nördlichen Gelände. Die Nachfolgegesellschaft der DWM, die Industriewerke Karlsruhe (IWK), entwickelte und baute bis 1980 verschiedene Stahlbauprodukte, unter anderem den Amphicar und den BMW 700 in den Schlutuper Tannen. Die Gleisanlagen sind bis heute vorhanden, können aber derzeit nicht befahren werden. Das südliche Gelände wurde an Privatleute veräußert und die Gleisanlagen demontiert. Einzig neben der Straße "Kiefernholz" findet sich noch ein kleiner Gleisrest.

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Auszug aus einem Buchfahrplan gültig vom September 1970 an. (Archiv Kaiser)

 

Die Heeresmunitionsanstalt Mölln (MUNA)

In meiner Kindheit besuchte ich sehr oft meinen Bruder auf seiner Ausbildungsstelle in der Möllner Waldstadt. Er lernte den schönen Handwerksberuf Bootsbauer bei der bekannten Firma "Kalisch". In mehreren Straßen der Waldstadt lagen zu damaligen Zeiten noch Gleisreste, für die ich mich schon damals sehr interessierte. Mein Vater wusste, dass in der Waldstadt früher Munition gefertigt wurde und dass der "Hein Hollenbek", die Nebenbahn von Hollenbek nach Mölln, an der "Muna" vorbeiführte. Diese Nebenbahn war mein Ansatz zu weiteren Recherchen, von denen ich hier aber nur kurz berichte, da der wichtigere Teil die Heeresmunitionsanstalt ist.

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Gleisplan der Heeresmunitionsanstalt. Oben die Nebenbahn von Hollenbek nach Mölln. (Stadtbildstelle Mölln)

Am 01. April 1899 eröffnete die Königlich Preußische Bahnverwaltung (KPEV) die Nebenbahn von Hollenbek, gelegen an der Strecke von Hagenow Land nach Ratzeburg, nach Mölln, an der LBE-Stammbahn. Zwischenhalte der 11,74 km langen Strecke waren Lehmrade und Drüsensee. Die Loks für die "Hein Hollenbek" genannte Nebenbahn, wurden im 1899 gebauten Möllner Lokschuppen abgestellt und waren auch für den Verschub im Bahnhof sowie auf der neuen 1910 eröffneten Hafenbahn, zuständig. Zum Einsatz kamen Loks der Baureihe T3 des Bw Hagenow Land. Bis zum Jahr 1934 änderte sich an der Situation nichts.

Ab 1933 interessierte sich das deutsche Heereswaffenamt für das Waldgebiet "Auf dem Steinfeld" südlich von Mölln, um dort eine Heeresmunitionsanstalt (Muna) zu errichten. Der Möllner Bürgermeister und seine Senatoren waren gegen einen Verkauf des Geländes, wurden aber per Dekret zum Verkauf gezwungen. So wurde ab 1934 auf dem Steinfeld gebaut.

Auf dem 213 ha großen Gelände wurden Bunker zur Lagerung der gefertigten Munition in verschiedenen Größen gebaut. 50 Gebäude mit 200 qm und 12 mit 50 qm Lagerfläche. Die Gebäude wurden mit einem Erdmantel umgeben und zur Tarnung begrünt. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges entstanden 172 Munitionsbunker sowie 95 andere Gebäude, u.a. die Kantine und das Kommandohaus. Auf dem gesamten Gelände konnten bis zu 7.320 t Pulver gelagert werden. 2.000 Arbeiter, auch viele Zwangsarbeiterinnen, waren hier beschäftigt.

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Gleisrest in der Breslauer Straße (Kaiser)

Die Muna erhielt im km 8,95 einen Gleisanschluss, der mit einer Gleissperre gesichert war. Um die Strecke freizumelden, wenn der Übergabezug vollständig im Anschlussgleis stand, erhielt der Gleisanschluss ein Blockwerk. Im km 8,7 errichtete die DR den Haltepunkt Schneiderschere, der durch die Züge des "Hein Hollenbek" bedient wurde. Zudem verkehrten Sonderzüge von Oldesloe über Ratzeburg nach Mölln, mit denen die Arbeiter das Werk erreichten. Im Werksgelände wurden acht Kilometer Gleise verbaut und ein Lokschuppen errichtet. Für den Verschub kamen Loks der Wehrmachtsbaureihen WR200B14 (spätere Baureihe 270), WR360C14 (spätere Baureihe 236) sowie eine Köf zum Einsatz.

Die LBE brachte Wagen für die Muna bis Mölln, von wo aus sie durch die DR bis ins Übergabegleis der Muna gebracht wurden. Als die LBE 1938 Verstaatlicht wurde, gingen die Stammbahn der LBE und die gesamten Gleisanlagen des "Hein Hollenbek" in die Reichsbahndirektion Schwerin über.

Zum Ende des Krieges wurde aus ganz Norddeutschland Munition nach Mölln in die Muna gebracht. Sämtliche Gleise waren mit beladenen Wagen vollgestellt. In den Wagen befanden sich auch Teile der V2 sowie Geschosse des Eisenbahngeschützes "Dora". Die Straßen im Gelände waren mit beladenen Lkw ebenfalls zugestellt. Ein direkter Bombentreffer auf das Gelände der Muna hätte verheerende Folgen gehabt.

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Eine 56er des Bw Lübeck hat den Haltepunkt „Schneiderschere“
soeben verlassen und fährt nach Hollenbek. (Dr. Schneider)


Nach Entdeckung der Muna durch die britische Armee, wurde die Munition entsorgt. Teilweise wurde sie im südlichen Gelände der Muna verbrannt, teilweise wurde sie in der Nordsee verklappt. Der Abtransport bis Brunsbüttel erfolgte über die Schiene.

Die militärische Infrastruktur der Muna sollte, gemäß der Absprachen zwischen den Alliierten, demontiert werden. Im südlichen Teil der Anlagen wurden bereits 30 Bunker gesprengt, bevor der Möllner Bürgermeister Michelsen 1947 eine friedliche Nachnutzung der Muna erwirken konnte. Ab 1949 zogen die ersten Firmen in die ehemaligen Muna-Gebäude ein. Eine der ersten war die Firma Kalisch Rennruderboote, die den Goldachter von 1962 baute.

Zum 04. Oktober 1959 wurde der "Hein Hollenbek" stillgelegt und das Teilstück zwischen dem Bahnhof Mölln und der ehemaligen Muna zum Industriestammgleis umgewandelt. Bis 1963 / 64 wurden noch Wagen zugestellt, bevor dann auch das letzte Teilstück stillgelegt wurde.

Heute sind von den Bahnrelevanten Bauten nur noch der Lokschuppen und ein Gleisrest in der Breslauer Straße vorhanden. Der Lokschuppen wurde zu einem Wohnhaus umgebaut.

Eine Anekdote am Rande. Die in der Muna eingesetzte WR360C14 (später V36 296), ist noch heute bei der Dampfbahn Fränkische Schweiz als V36 123 im Einsatz.

Die Gleisanlagen in Büchen - Geschichte bis 1926

Skizze Werk1

Schematischer Gleisplan vom Werk I im Steinautal (Kaiser)

Die umfangreichsten Informationen fand ich über die Gleisanlagen in Büchen-Pötrau und Büchen-Nüssau sowie Klein Pampau. Vom Zug aus sind Überreste von Brückenwiderlager, nördlich des ehemaligen Haltepunktes Büchen-Nüssau, sehr gut zu sehen. Wofür die Brücken mal errichtet wurden und was die LBE mit dem Gelände zu tun hatte, berichte ich hier.

Zu Beginn des ersten Weltkrieges suchte die Securitas Werke AG aus Bochum nach einem Gelände, auf dem sie Produktionsanlagen für Sprengstoffe errichten konnten. Die Wahl fiel auf zwei Gelände nahe Büchen. Bereits 1914 begann die Firma zwei Werke zu bauen. Werk I in Pötrau, im Steinautal und Werk II in Nüssau, welches sich parallel zur LBE-Stammbahn erstreckte. Beide Werksteile waren an die Eisenbahn angeschlossen und wurden durch die königlich preußische Eisenbahnverwaltung (KPEV) bedient. Den Verschub innerhalb der Werke erfolgte durch die Securitas Werke AG. Für diesen Zweck beantragte die Firma Dampfspeicherlokomotiven, deren Zuteilung aber vermutlich erst 1916 erfolgte.

Skizze Werk2

Schematischer Gleisplan vom Werk II in Nüssau (Kaiser)


Werk I war direkt an den Bahnhof Büchen mit einem Anschlussgleis verbunden. Noch heute ist der alte Bahndamm neben dem Schulweg zu sehen. Der Gleisverlauf im Werk I konnte von mir nicht rekonstruiert werden.

Werk II wurde an die LBE-Strecke von Lübeck nach Büchen in km 46,4, ungefähr in Höhe des Heideweg, angeschlossen. Die Verteilung der Wagen zu den einzelnen Produktionsgebäuden erfolgte über eine 1915 gelieferte, 11,40 m lange und 13,5 t schwere Drehscheibe. Da der LBE zum Einbau der Drehscheibe keinen passenden Kran zur Verfügung stand, half die KPEV mit einem Kran aus. Für die Übergabefahrt von Büchen nach Nüssau (Nüssau wurde erst 1937 ein Ortsteil von Büchen) erstellte die LBE 1918 die "Dienstanweisung für die Anlage und Bedienung des Anschlusses der Securitas Werke AG", in der der Ablauf der Übergabefahrt geregelt wurde.

Basierend auf diese Dienstanweisung veröffentlichte die KPEV die "Vorschriften für den Rangierdienst in den an die Lübeck-Büchener Bahn angeschlossenen Werken der Securitas in Nüssau bei Büchen". Da ausführliche Auszüge aus den Regelwerken hier den Rahmen sprengen würden, hier nur ein kurzer Auszug aus der Dienstanweisung der LBE: "Die Bedienung des Anschlußes erfolgt vom Bahnhof Büchen aus durch Lokomotiven und Personale der Staatsbahn. Die Bedienungszüge werden durch den allgemeinen Fahrplan festgesetzt. Die Fahrten nach und von dem Anschluß sind als Teilfahrten zwischen Bahnhof Büchen und Bude 31 zu melden, diese Strecke ist demnach bis zur Rückkehr des Übergabezuges nach dem Bahnhof Büchen für sonstigen Zugverkehr gesperrt.....Die Abfahrt eines Übergabezuges von Büchen ist stets auch an Bude 35 durch Fernsprecher vorzumelden. Bude 35 hat dann sofort in der Richtung von Bude 31 eine Haltscheibe bei der Bude 35 in etwa 320m Entfernung von dem Merkzeichen der Weiche 1 aufzustecken und, daß dies geschehen, dem Bahnhof Büchen zu melden. Ist diese Meldung eingegangen und der Übergabezug angenommen, so händigt der Streckenfahrdienstleiter an den begleitenden Beamten des Übergabezuges den Weichenschlüssel aus und erteilt hiermit seine Zustimmung zur Abfahrt....". Für das Fahrplanjahr 1916 waren zwei planmäßige Fahrten nach Nüssau im Fahrplan eingearbeitet. Bei Bedarf wurde öfter gefahren.

Anschluss Klein Pampau

Anschlussgleis Westlignose AG Klein Pampau

Trotz des verlorenen ersten Weltkrieges, beantragte die Securitas Werke AG 1919 eine Erweiterung ihrer Anlagen in Nüssau sowie einen neuen Produktionsstandort für die Dynamitherstellung südlich von Klein Pampau, in der heutigen Bismark-Siedlung. Der Ausbau der Anlagen in Nüssau und der Neubau von Klein Pampau wurden noch von der Securitas Werke AG durchgeführt. In Nüssau wurden die Gleisanlagen erheblich erweitert, neue Gebäude errichtet und ein Stichkanal von ca. 460 m Länge, abgehend vom Elbe-Trave-Kanal, gegraben. In Klein Pampau baute die Firma insgesamt 75 Gebäude in ihrem neuen Gelände. Die zur Herstellung des Dynamits benötigten Gebäude waren gebunkert und von Erdwällen umgeben. Zur Versorgung der Produktionsstätten in Klein Pampau war ein zwei Kilometer langes Anschlussgleis, ausgehend vom Gelände in Nüssau, geplant.

1920 übernahm die Maschinenbau Elsaß AG die Securitas Werke AG und verkaufte die Gelände und Anlagen in Büchen-Pötrau, Nüssau und Klein Pampau an die Westlignose AG. Die erste Aufgabe der Westlignose AG bestand darin, die kriegswichtigen Anlagen zu demontieren, wie es der, im Juni 1920 unterzeichnete, Versailler Vertrag forderte.

In den einzelnen Werksteilen kam es zu unterschiedlichen Nachnutzungen. In Pötrau siedelte sich eine Firma zur Herstellung von Bergwerkssprengstoffen an. In Nüssau firmierte die Filmfabrik Büchen GmbH, die ab 1922 Celluloid für Kinofilme produzierte. Die bei der Produktion anfallende Nitrocellulose (auch Schießwolle genannt) wurde zu verschiedenen weiteren Produkten weiterverarbeitet. In Klein Pampau wurde weiterhin Dynamit produziert.

Skizze Werk Klein Pampau

Schematischer Gleisplan der Dynamitfabrik Klein Pampau (Kaiser)


Ab 1921 wurde an der Stichbahn von Nüssau nach Klein Pampau gearbeitet, aber erst 1924 konnten die ersten Wagen in Klein Pampau zugestellt werden, nachdem der Bau der Stichstrecke länger dauerte, als geplant.

Ein Grund für die Verzögerung war unter anderem, der Einsturz der neu errichteten Brücke über die Steinau. Die Stichstrecke begann im Werk II, umfuhr das Gelände im Norden, unterquerte die LBE-Stammbahn in km 44,945 und führte nach Westen in Richtung Neu-Nüssau, bevor sie nach Norden schwenkte und das neue Werksgelände südlich von Klein Pampau erreichte. Die werkseigene Dampfspeicherlok besorgte die Übergabefahrten nach Klein Pampau von Nüssau aus.

 Direktorenhaus  Laborgebaeude

Das ehemalige Direktorenhaus der Filmfabrik dient heute als Wohnhaus. (Kaiser)

Im ehemaligen Laborgebäude firmiert heute eine Werbeagentur. (Kaiser)

 Steinaubruecke  Steina Damm

Die Brücke über die Steinau im Zuge der Anschlussbahn nach Klein Pampau. (Kaiser)

Der Damm der Anschlussbahn bei Klein Pampau. (Kaiser)

Steina Damm2   Tanklager im Wald 450

Blick vom Damm der Anschlussbahn in Richtung Klein Pampau. (Kaiser)

 In Klein Pampau steht noch das ehemalige Werkstattgebäude der Dynamitfabrik. Kaiser)

Die Gleisanlagen in Büchen - Entwicklung nach 1926

Um einen Konkurrenten auszuschalten, übernahm 1926 die Alfred Nobel AG die Westlignose AG und stellte die Produktion in den drei Werksteilen ein. Die Aquilla AG wurde mit dem Abbau der Hochbauten und der Gleisanlagen in Pötrau und Nüssau beauftragt. Die Brücke in km 44,945 wurde im Mai 1931 ausgebaut und der Damm verfüllt. Die Anschlussweiche wurde in der Nacht vom 07. auf den 08. August 1931 durch die Bahnmeisterei entfernt.

Der Abbau von Werk I im Steinautal war sehr gründlich. Vom Werk ist nichts mehr erhalten. Auf dem Gelände entstand ein Wohngebiet. Der Bahndamm vom Anschlussgleis zum Werk I ist neben der Straße "Schulweg" noch erhalten.

Im Werk II blieben das Direktorenhaus und das Labor als Hochbauten erhalten.

In Klein Pampau änderte sich am Bestand der Hochbauten bis 1970 wenig. Heute sind nur noch ein Bunker und das ehemalige Werkstattgebäude erhalten. Die Bismarksiedlung steht heute auf dem ehemaligen Werksgelände. Der Bahndamm zwischen Neu Nüssau und Klein Pampau sowie die Brücke über die Steinau sind noch erhalten, wenn auch teilweise abgetragen. Wer heute im Winter mit dem Zug von Büchen nach Mölln fährt, sieht auf der rechten Seite noch den Einschnitt der Stichstrecke nach Klein Pampau im km 44,945.

Zu Beginn des zweiten Weltkrieges übernahm die Luftwaffe das Gelände vom ehemaligen Werk II, um dort ein Luftwaffentanklager, mit einem Fassungsvermögen von 1.500.000 Litern Kerosin zu errichten. Inzwischen privat genutzte Gebäude und Gelände wurden enteignet und die Gebäude teilweise abgetragen. Der Stichkanal vom Elbe-Trave-Kanal wurde um 100 m verlängert und ein kleiner Hafen gebaut. Aufgrund des Arbeitskräftemangels wurde nur noch das nördlichste der drei geplanten Lager errichtet. Es ist unklar, ob die Tanks noch vollständig fertiggestellt wurden. Für den Bau des Luftwaffentanklagers wurden überwiegend Zwangsarbeiter herangezogen.

Im nördlichen Bereich des Luftwaffentanklagers wurden Widerlager für zwei Eisenbahnbrücken errichtet. Ob dort jemals Brücken eingebaut waren, ist unklar.

Da die Tanks von einem Erdmantel geschützt werden sollten, wurde eine Feldbahn angelegt, die Kies von einem Gelände westlich der Straße Büchen – Siebeneichen in das Gelände brachte. Dabei unterquerte die Feldbahn die Straße und die ehemalige LBE-Stammbahn. Diese erhielt deshalb eine Brücke in km 44,775, gerade einmal 170 m weiter nördlich, als die alte Brücke der Stichstrecke nach Klein Pampau.

Der Bahnübergang „Heideweg“ wurde aufgehoben, Bude 35 abgetragen und 500 m weiter nördlich wurden der neue Bahnübergang „Parkstraße“ und die Bude 35 neu gebaut. Nahe der Bude 35, in km 45,71, baute die Deutsche Reichsbahn (DR) eine Bauweiche ein. Die richtige Anschlussweiche lag in km 46,15.

Da sich das Gelände des Luftwaffentanklagers noch erheblich nach Süden ausweiten sollte, errichte die DR in Höhe der Möllner Straße 18-20 ein neues Stellwerk, welches aber nur im Rohbau fertiggestellt wurde. Wäre dieses Stellwerk in Betrieb gegangen, es wäre das größte Stellwerk Büchens geworden.

Am 07. April 1945 flog die US Air Force einen Luftangriff u.a. auch auf Büchen. Ein im Bahnhof stehender, mit Kerosin beladener Zug wurde getroffen und die Explosion richtete einen erheblichen Sachschaden an. Das Luftwaffentanklager wurde nicht getroffen.

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurden die drei Tanks im nördlichen Bereich des Lagers gesprengt. Die Druckerei Damaschke & Co. zog 1953 in eine der Baracken des ehemaligen Luftwaffentanklagers. Das Gelände nördlich und östlich der Druckerei nutzte der Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) als Übungsgelände und erklärte es zum Sperrgebiet. Obwohl die alten Verbotschilder teilweise noch stehen, ist ein Betreten des Geländes möglich. Der Stichkanal gehört heute zu einem Naturschutzgebiet und der südliche Bereich des Geländes wird gewerblich und privat genutzt. Das ehemalige Pförtnerhaus an der Parkstraße ist heute eine kleine Kneipe.

1952 richtete die Deutsche Bundesbahn (DB) nördlich des Bahnübergangs „Parkstraße“ den Haltepunkt Büchen-Nüssau ein, der bis zum Sommerfahrplan 1980 bedient wurde. 1956 wurde die Anschlussweiche in km 46,15 ausgebaut. Das im Rohbau fertiggestellte Stellwerk wurde abgetragen. Schließlich wurde erst 1971 die Brücke in km 44,775 ausgebaut und der Damm verfüllt.

Nachwort

Einem Artikel gehen immer umfangreiche Recherchen voraus. Ich hatte das große Glück, dass ich von Paul Heling aus Büchen, Uve Assmann (Gemeinnütziger Verein Lübeck-Schlutup), Jens Krause aus Lübeck und Klaus Hopf aus Berlin sehr viele Informationen erhalten habe. Vielen Dank dafür! Einen Dank auch an die Stadtbildstelle Mölln und Herrn Schneider aus Mölln für die Bilder!