Entgleisung des D 64 Berlin - Kiel am 4. Juli 1937 in Bahnhof Pönitz
Erstellt am Donnerstag, 06. Dezember 2012
Geschrieben von Hans-Harald Kloth und Klaus Hopf
Am 4. Juli 1937 um 12.45 Uhr entgleisten die letzten beiden Wagen des Schnellzuges D 64 Berlin - Kiel in Bahnhof Pönitz. Der Schnellzug kreuzte den Personenzug 875 Kiel - Lübeck, der auf Gleis 2 eingelaufen war. In diesem Beitrag sollen die verfügbaren Informationen zu diesem Unglück zusammengetragen und erläutert werden.
Hierzu schrieb der Lübecker General-Anzeiger am 6. Juli 1937:
"D-Zug Berlin - Kiel entgleist - fünf Leichtverletzte
Die Direktion der Eutin-Lübecker Eisenbahn-Gesellschaft teilt mit:
Am Sonntag mittag entgleisten um 12.45 Uhr bei der Durchfahrt in Bahnhof Pönitz zwei Wagen des Schnellzuges D 64 von Berlin nach Kiel. Vier Reisende und ein Zugschaffner wurden dabei leicht verletzt. Sie erlitten zum Teil Prellungen und Hautabschürfungen, konnten jedoch sämtlich nach Anlegung von Notverbänden ihre Reise fortsetzen. Durch den Unfall erlitt der durchgehende Verkehr zwischen Lübeck und Eutin längere Störungen, da beide Hauptgleise vorübergehend gesperrt waren. Ab Montag morgen konnten die Frühzüge bereits wieder durchgeführt werden, so daß sich der Verkehr seitdem wieder planmäßig abwickelt.
Über den Hergang des Unfalls wird im einzelnen folgendes mitgeteilt:
Da der sommerliche Reiseverkehr in diesen Tagen stark eingesetzt hat, fuhr am Sonntag ein besonderer Vorzug Leipzig - Lübeck - Kiel, in dem die meisten der von Mitteldeutschland in Richtung Kiel fahrenden Reisenden Platz genommen hatten. Der Hauptzug, in dem die planmäßigen Kurswagen von München und Leipzig nach Kiel liefen, war indessen nur in dem vorderen, von Berlin kommenden Teil, stärker besetzt. Der D-Zug hat eine Kreuzung mit einem Personenzug in Bahnhof Pönitz. Der Personenzug war fahrplanmäßig in Bahnhof Pönitz aus Richtung Lübeck eingefahren (Anmerkung des Verfassers: Muss aus Richtung Kiel lauten). Nach Durchfahrt des aus Lübeck kommenden D-Zuges mußte der Bahnhof Pönitz die für den D-Zug festgelegte Fahrstraße auflösen, damit die Weiche für den ausfahrenden Personenzug umgelegt werden konnte. Hierbei gab der Fahrdienstleiter zu früh den Befehl zur Auflösung der Fahrstraße und zum Umlegen der Weiche, nämlich als der vorletzte Wagen die Weiche noch nicht überfahren hatte. Die Folge war, daß zwei Wagen aus den Schienen gerieten und abrissen; einer dieser Wagen kippte um und legte sich auf die Seite. Dieser Wagen war zum Glück nur schwach besetzt. Die in den entgleisten Wagen befindlichen Reisenden konnten sofort ins Freie kommen; vier Reisende und ein Zugschaffner erlitten leichte Verletzungen. Die Verletzten wurden von den sofort herbeigerufenen Ärzten verbunden. Der vordere Zugteil hielt, nahm die Reisenden und die Verletzten auf und setzte nach etwa 25 Minuten seine Fahrt nach Kiel fort. Der Beamte, gegen den sich der Verdacht eines Verschuldens richtet, wurde von dem an der Unfallstelle anwesenden Obersten Betriebsleiter der Eutin-Lübecker Eisenbahn, Direktor Tietjens, sofort vom Dienst zurückgezogen.
Bild 1: Die beiden entgleisten Schnellzugwagen des D 64 am 4. Juli 1937 in Pönitz. Bei dem letzten Wagen handelt es sich um den ABC 4ü pr 08 - Altona 14 727 . Auf Gleis 2 ist im Hintergrund eine 1'C1'-Lokomotive von Henschel (Nr. 11 -14) vor dem Personenzug 875 Kiel - Lübeck zu erkennen.
(Foto: W. - Sammlung H.-H. Kloth)
Die Unfallstelle selbst bot im Augenblick naturgemäß ein wüstes Bild. Ein sofort aus Lübeck herbeigerufener Hilfszug begann unverzüglich mit den Aufräumungsarbeiten. Der Unfall ist auch deshalb so glimpflich abgelaufen, weil die D-Zugwagen aus Stahl gebaut sind und daher eine außerordentliche Stoßfestigkeit aufweisen. Auch kommt hinzu, daß der Oberbau der Eutin-Lübecker Eisenbahn erst vor wenigen Jahren unter Verwendung der stärksten Schienenform umgebaut ist und damit den neuesten Vorschriften für die deutschen Schnellzugstrecken entspricht.
Der Unfalldienst der Eisenbahn wurde sofort in Tätigkeit gesetzt, wie dies bei den häufigen Unfallübungen in Zusammenarbeit mit den Sanitätskolonnen geübt worden war. Die Sanitätskolonnen brauchten jedoch nicht mehr in Tätigkeit zu treten, da die leichtverletzten Reisenden ihre Reise bereits mit dem D-Zug fortgesetzt hatten."
Laut Zeitung geschah das Unglück um 12.45 Uhr. Fahrplanmäßig kreuzt D 64 um 12.35 Uhr Personenzug 875 (an Pönitz 12.33 und ab 12.37 Uhr). Durch den Vorzug gab es an diesem Tage einen veränderten Betriebsablauf. Weil man möglichst alles zügig abwickeln wollte, kam es zu dem verhängnisvollen Fehler, dass der Bedienstete auf dem Bahnsteig dem Kollegen im Dienstraum des Empfangsgebäudes zu früh das Zeichen für das Umlegen der Weiche gab. Im Nordtrakt des Stationsgebäudes befand sich das Stellwerk. Kollegen der Lübeck-Büchener Eisenbahn unterstützten die Bediensteten der Eutin-Lübecker Eisenbahn bei den Aufräumungsarbeiten. Der Eisenbahnverkehr zwischen Lübeck und Eutin wurde bis Montag früh durch Umsteigen in Pönitz bzw. Umleiten von Zügen über Neustadt/Holstein aufrechterhalten. Die durchgehenden D-Züge wurden über Bad Oldesloe - Neumünster umgeleitet.
Bild 2: Blick vom Wohnzimmer des Oberbahnhofsvorstehers St. auf den umgekippten Schnellzugwagen am
4. Juli 1937 in Pönitz. (Foto: St. - Sammlung H.-H. Kloth)
Soweit der Beitrag von Hans-Harald Kloth
Im folgenden ein Bericht, den Klaus Hopf in Archivalien gefunden hat:
Bericht des Direktoriums der Eutin-Lübecker Eisenbahngesellschaft