Siegelmarke Eutin Luebecker Eisenbahn GesellschaftDer Triebwagen 1001 der Eutin-Lübecker Eisenbahn

Erstellt am Montag, 14. November 2016
Geschrieben von Hans-Harald Kloth

Lübecker General-Anzeiger vom 2. August 1934: "Gestern nachmittag stand der neue Triebwagen der Eutin-Lübecker Eisenbahngesellschaft zur Probefahrt im Hauptbahnhof bereit. Der verhältnismäßig niedrige Wagen, der in seiner ganzen Konstruktion an einen Autobus erinnert, wirkte unter diesen hohen Hallen fast winzig. Aber er lenkte trotzdem die Augen aller Reisenden auf sich infolge seiner lebhaften Farben: Oben silbergrau, in der Mitte sattrot und unten tiefblau. (Rot und Blau sind die Oldenburger Farben.) Auch sein Gewicht ist verhältnismäßig gering, nur 12 Tonnen. Dafür läuft dieser Triebwagen aber 85 Stundenkilometer, läuft sie leicht und sicher, so daß der Fahrgast gar nicht auf den Gedanken einer solchen Geschwindigkeit kommt, bis er nach einer halben Stunde etwa den Eutiner Bahnhof vor sich sieht. Die Eutin-Lübecker Bahn hat den ersten derartigen Schnelltriebwagen in Betrieb genommen. Diese zweiachsigen Wagen sind bisher nur für die Schnelligkeiten von 40 - 60 Km. auf Nebenbahnen gebaut worden...

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Gäste der "Jungfernfahrt" stehen am 1. August 1934 vor dem Triebwagen in der Bahnhofshalle Lübeck. Die dritte Person von rechts ist der Eisenbahndirektor der ELE Paul Tietjens. (Sammlung H.-H. Kloth)

Langsam fuhr der Wagen an, um bald auf hohe Geschwindigkeit zu gehen. Durch Schwartau sauste er schon mit 80 Km. hindurch. Wundervoll war es, wie der Wagen elegant die starken Kurven nahm. Nur auf der Baustrecke zwischen Schwartau und Pansdorf ging er in der Geschwindigkeit herunter, um dann wieder gründlich zuzulegen. Pansdorf huschte vorüber, Gleschendorf, Pönitz, Ottendorf und Bockholt. Vor Eutin gab es einen kurzen Aufenthalt, weil das Einfahrtsignal fehlte, und dann stand er schon im Eutiner Bahnhof. Die Fahrt war ein wirklicher Genuß gewesen. Namentlich in den beiden Aussichtsabteilen vorn und hinten sitzt es sich herrlich. Durch die breiten Spiegelscheiben sah man die Strecke vor. bzw. hinter sich. Der Wagen enthält nur Abteile dritter Klasse, die aber sämtlich Polsterung enthalten. Sie sind also wie die zweite Klasse ausgestattet. Wenn dieser Triebwagen auf seinen Fahrten nicht vom Publikum gestürmt wird, dann wäre es einfach unverständlich..."

Um den Personenverkehr zu beschleunigen und wirtschaftlicher zu gestalten, bestellte die Eutin-Lübecker Eisenbahngesellschaft (ELE) 1933 bei der Waggonfabrik Wismar einen zweiachsigen Verbrennungstriebwagen für eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h. Da bei der Waggonfabrik zahlreiche andere Bestellungen vorlagen, konnte der Triebwagen (Fabriknummer 20 236) erst im Juli 1934 für 39 000 RM geliefert werden. Da die ELE ihn bereits zum Fahrplanwechsel am 15. Mai 1934 eingeplant hatte, liefen bis zum August 1934 die Lokomotiven Nr. 4 (T 4) oder 5 und 6 (T 5.2) mit zwei Abteilwagen Ersatz. Dieses war auch später der Fall, wenn der Triebwagen wegen Reparatur ausfiel.

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Der Triebwagen ELE 1001 hat am Tag der "Jungfernfahrt" Bahnhof Eutin erreicht und steht auf Gleis 1. (Foto Jacobs - Sammlung H.-H. Kloth)

Die "Jungfernfahrt" fand am 1. August 1934 statt. Neben dem Regierenden Bürgermeister der Freien und Hansestadt Lübeck, Dr. Drechsler, nahmen Vertreter der Lübecker und Eutiner Regierung (letztere für den Landesteil Lübeck des Freistaates Oldenburg), der Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft, der Waggonfabrik Wismar, der Presse und die Mitglieder der Direktion, des Verwaltungsrates und des Vertrauensausschuss der Eutin-Lübecker Eisenbahngesellschaft teil. Dr. Drechsler hob bei seiner Rede im Voßhaus zu Eutin hervor, dass die Eutin-Lübecker Eisenbahngesellschaft die Aufgaben der Zeit erkannt hat, um für gute Verbindungen zu sorgen. Er wies darauf hin, dass die Reisenden Schnelligkeit und Bequemlichkeit bei voller Sicherheit fordern und dass dieser Triebwagen diese Anforderungen erfüllt. Der Artikel im Lübecker General-Anzeiger über die Eröffnungsfahrt endete mit dem Satz: "Zweifellos wird die Eutin-Lübecker Eisenbahngesellschaft mit der Einstellung dieses schönen Wagens einen großen Erfolg haben."

Im 62. Geschäftsbericht der ELE für das Geschäftsjahr 1934 ist zu lesen: "Im Juli 1934 wurde der neu beschaffte Triebwagen dem Verkehr übergeben. Mit seiner Geschwindigkeit von 80 km in der Stunde wurde dadurch eine wesentliche Fahrplanverbesserung erzielt. Der Wagen hat sich bis jetzt gut bewährt und durch seine Ausstattung und Schnelligkeit zur Hebung des Personenverkehrs auf unseren Strecken zweifellos beigetragen."

Technische Daten des Verbrennungstriebwagens VT A1 "Eutin-Lübeck 1001"

Hersteller: Waggonfabrik Wismar (Fabriknummer: 20 236)
Länge über Puffer: 12,84 m
Radstand: 7 m
Fahrgeschwindigkeit: 85 km/h
Gewicht: 12,3 t
Sitzplätze: 56 Polster- und 3 Klappsitze
Kraftquelle: 110 PS Daimler-Benz Dieselmotor, der billiges Gasöl verarbeitet
Verbrauch: 30 Liter pro 100 km
Kraftübertragung: Viergängiges Spezialgetriebe System Mylius auf einer Achse
Heizung: Unterflurheizung
Sonstige Einrichtungen: Totmannbremse
Die Lagerungen für das Schienenfahrzeug lieferte FAG Kugelfischer, Schweinfurt.

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Triebwagen ELE 1001 während einer technischen Fahrt im Juli 1934. (Werkaufnahme FAG Kugelfischer - Sammlung H.-H. Kloth)

Der Triebwagen wurde vom Bahnhof Ahrensbök aus auf der Nebenbahn nach Pönitz eingesetzt. Er schaffte auch durchgehende Verbindungen von Ahrensbök nach Lübeck bzw. Eutin. Außerdem verkehrte er auf der Hauptbahn Eutin - Lübeck. Die Bedienung erfolgte durch die drei Reserve-Lokomotivführer des Bahnhofes Ahrensbök. Die komfortable Ausstattung führte am Anfang zu Irritationen beim Publikum, sodass die ELE mehrfach in der Presse verkünden ließ, dass der Triebwagen ohne Zuschlag zu benutzen sei.

Laufleistungen des Triebwagens

Jahr               Kilometer             durchschnittliche Tagesleistung
1934*            34 000                 224   *ab August
1935              80 000                 219
1936              76 000                 208
1937              71 000                 195
1938              57 000                 156
1939              47 000                 129
1940              28 000                  77

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Triebwagen ELE 1001 in einer Schrägansicht auf der Drehscheibe des Betriebsbahnhofes Leu in Lübeck 1936. (Foto Werner Hubert - Sammlung H.-H. Kloth)

 Nach der Verstaatlichung der ELE gehörte der Triebwagen zum Bw Lübeck der RBD Schwerin, die ihn weiterhin auf den ehemaligen Strecken der ELE einsetzte. Laut Winterfahrplan 1941/42 (gültig ab 6. Okt. 1941) pendelte er werktags sechs- und sonntags fünfmal zwischen Ahrensbök und Pönitz. Als T 795 ab Ahrensbök um 16.24 Uhr, an Lübeck 17.14 Uhr und T 796 ab Lübeck 18.25 Uhr, an Ahrensbök 19.22 Uhr verkehrte der Triebwagen gemäß Fahrplan nur auf besondere Anordnung. Im Sommerfahrplan 1942 (gültig ab 6. Mai) war der Triebwagen nicht mehr verzeichnet. Vermutlich stand er "beschäftigungslos" im Bw Lübeck. Ende Juli/Anfang August 1944 überführte die Deutsche Reichsbahn den ehemaligen Triebwagen 1001 der ELE an die Eulengebirgsbahn in der Provinz Schlesien. Eine Nummer der Deutschen Reichsbahn hat der Triebwagen zwischenzeitlich nicht erhalten, da im Schriftverkehr zwischen Reichsbahn-Zentralamt München und RBD Schwerin im August 1944 noch immer die Bezeichnung "Dieseltriebwagen 1001 der Eutin-Lübecker Eisenbahn" verwendet wurde. Über das weitere Schicksal des Triebwagens ist dem Verfasser nichts bekannt.

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Triebwagen ELE 1001 wartet am 29. Juli 1939 auf Gleis 1 in Eutin auf seine Abfahrt. (Foto Ernst Schörner - Sammlung H.-H. Kloth)